Wenn man morgens auf das Clubgelände kommt, kann es gut sein, dass sein knallroter Porsche im Schatten unter dem Baum neben den Wohnmobilen steht. Und wenn er da steht, dann ist Heinz Kaiser entweder in seinem Wohnwagen oder bei seinem Freund Hans Winterhoff nebenan oder auf der Terasse. Oder er schlendert tiefenentspannt von einem dieser Punkte zu einem der anderen. Mittags kann das genauso gut so sein, oder auch abends. Würde man ein typisches Bild vom Clubgelände malen, dann müsste irgendwo auf dem Bild Heinz zu sehen sein.
Heinz ist oft da. Und er ist schon sehr lange da. Sehr lange heißt: Wir messen die Zeit nicht in Jahren, sondern in Jahrzehnten. Genaugenommen ist Heinz seit 1954 im Kanu Club Hagen.
Der Kanu Club ist 1953 gegründet worden, die Anfänge waren aber wohl fließend (das genau zu recherchieren, wäre eine eigene Geschichte). Das war im Jahr acht nach dem II Weltkrieg. Die Dortmunder Brücke über den Hengsteysee lag zu dem Zeitpunkt in Trümmerstücken im See, das Strandbad (dort, wo das Strandhaus ist) war zerstört.

Die zerstörte Brücke über den Hengsteysee. Sie wurde 1954 wieder aufgebaut.
Im unteren Teil des Strandhausgebäudes hatten Kajakenthusiasten ein Bootslager. Ein Freund von Heinz hatte dort einen Faltbootzweier – und er suchte einen Kumpel, der mit ihm paddelt. So kam Heinz etwa 1950 aufs Paddelboot.
Als Heinz in das Paddelbusiness einstieg, ging es so langsam aufwärts – nicht nur da spiegelt sich sein Leben in der Deutschen Geschichte; Heinz war mit etwa 15 oder 16 Lehrling als Stahlbauschlosser beim Hörder Hüttenverein.
Hinter ihm lag in dem Alter bereits eine wechselvolle Lebensgeschichte mit vielen Stationen: In Dortmund geboren ist er der jüngere von zwei Brüdern. Seine Eltern kam aus Ostpreußen, und dorthin zog die Mutter etwa 1941. Ziel war der Kreis Mohrungen.
Sein Vater blieb aus beruflichen Gründen in Dortmund, sein Bruder wurde zur Wehrmacht eingezogen.
Ein paar Jahre später machte sich die Mutter mit Heinz auf den Weg zurück: Die Mutter wollte wieder „heim ins Reich“, wie man damals sagte. Der Grund war mehr als zwingend: Die Rote Armee stand vor ihrer Winteroffensive (sie erreichte Mohrungen im Januar 1945). Heinz war da noch keine zehn Jahre alt, und auch in diesem Punkt ist es eine typische Geschichte.
Das erste Ziel der Mutter war Eisenach: das war aber schon zerbombt. Es ging weiter nach Gräfentonne in Thüringen. Dann folgte eine Irrfahrt im Güterzug über Hannover Richtung Norden, dann ein Schlenker, und es ging Richtung Ruhrgebiet: 1946 kamen sie in Dortmund an. Der Krieg war vorbei, man konnte an seinem Leben bauen.
Wie gesagt also, 1950 fing das mit dem Paddeln an. Zu seinem Faltbootkumpel ging es erst noch per Zug von Dortmund Süd nach Herdecke, dann zu Fuß zum Hengsteysee. In der Paddlerszene am Strandhaus entwickelten sich die Idee, dann der Kanu Club und dann das Clubhaus.

Undatiertes Bild, Heinz winkt links in die Kamera.
Heinz schaffte zwischenzeitlich seine Lehre und wurde 1953 als Schlosser übernommen. Mit den Jahren reichte es für einen Motorroller, mit dem pöttgerte er vier Jahre zum See und zum Boot.
Heinz sagt „Ich war erst Sonntagspaddler, dann Wanderfahrer.“ Gewandert ist er auf der Ruhr, der Lenne und auf der Lahn. An einen Urlaub auf dem Edersee kann er sich erinnern, und an einen von Herzhausen über den Edersee bis Porta Westfalica.
Auch in Frankreich war er mit dem Boot.
Zuhause (also am See…) gab es immer wieder Arbeiten am Clubgelände und am Clubhaus.
Im Job schaffte er einen damals entscheidenden Sprung im gesellschaftlichen Statusgefüge: Den vom Arbeiter zum Angestellten. In einem Abendkurs an der Fachhochschule Dortmund legte er dann im Februar 1975 die Prüfung zum staatlich geprüften Techniker Fachrichten Maschinenbau ab.
Irgendwann, auf irgendeiner Tour fuhr er sein Boot kaputt. Und es wurde nie wieder repariert. Heinz stieg aufs Fahrrad und auf Fahrradtouren um.
In den 90er Jahren wurde Heinz Leben wieder von den Zeitläuften bestimmt: Aus dem Hörder Hüttenverein war Hoesch geworden, aus Hoesch wurde Krupp. Aus Krupp wurde ein Sozialplan, und der führte ein paar Jahre später in die Rente.
Heinz überlegte kurz, ein Haus zu bauen. Aber für wen? Er hatte nie geheiratet. Also entschied er sich für einen Porsche anstatt für ein Haus. Erst ein 944er, dann der 911er.
Warum es ein Porsche wurde? So recht kann Heinz die Frage gar nicht beantworten.
Naja, jedenfalls ist der Porsche 911 immer noch da. Parkt im Schatten des Baumes oder vor dem Haus seines Freundes Hans Winterhoff. Und das ist auch gut so.
Heinz ist am 8. Juli 90 Jahre alt geworden. Lieber Heinz, herzlichen Glückwunsch!
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